Stockt die Digitalisierung in der Immobilienbranche?
Der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) wollte es wissen: Wie steht es um den Digitalisierungsgrad mittelständischer Immobilienunternehmen in Deutschland? Das Ergebnis ist ernüchternd: Von wenigen Ausnahmen abgesehen haben die meisten Unternehmen erst digitale Grundlagen umgesetzt. Als Hindernis gelten Kosten, Zeitmangel und fehlendes Personal. Trotzdem planen 77 Prozent keine neuen Mitarbeiter dafür einzustellen.
„Unternehmen haben große Erwartungen an die Digitalisierung. Sie investieren aber noch zu wenig in eigene Spezialisten und in die notwendigen Technologien“, resümiert BFW-Präsident Andreas Ibel den aktuellen Stand der Digitalisierung in der Immobilienbranche und fügt hinzu: „So können die vorhandenen Potentiale nicht erkannt und genutzt werden.“
Die Unternehmen laufen Gefahr, sich selbst auszubremsen wenn sie bei dieser Haltung bleiben. „Die große Mehrheit verkennt das große Potenzial, das die Digitalisierung für das Entwickeln neuer Geschäftsmodelle bietet“, so Ibel weiter.
Digitalisierung im Gebäude spielt derzeit keine Hauptrolle: „Debakel für die Branche“
70 Prozent der Verwalter und Bestandshalter sowie 56 Prozent der Bauträger und Projektentwickler glauben laut BFW nicht daran, dass sich durch die Digitalisierung neue Geschäftsfelder böten. In einer Pressekonferenz zur Umfrage kommentiert Dr. Thomas Götzen von Interboden und Mitglied des BFW-Digitalisierungsbeirates, die Ergebnisse so: „Digitalisierung im Gebäude spielt derzeit keine Hauptrolle. Wenn das stimmt, dann ist das ein Debakel für unsere Mitgliedsunternehmen!“
„Die Umfrageergebnisse sind eher ernüchternd. Andreas Ibel, BFW-Präsident“
Götzen warnt davor, jetzt nicht in Digitalisierung zu investieren. Die Branche laufe Gefahr, einen Trend zu verpassen, der Gesellschaftlich immer weiter voranschreitet. Als Beispiel nennt er die E-Mobilität. Während Bundesregierung und Autohersteller E-Autos immer stärker forcieren, fehlten auch bis 2021 in der Hälfte aller Tiefgaragen entsprechende Stromanschlüsse.
Auch Themen wie Service-Wohnen, etwa Alarmsysteme im Healthcare-Bereich – nach Meinung von Götzen eines der nächsten Megatrends der Immobilienbranche – laufe man Gefahr, zu verpassen. Die Sprachsteuerung im Gebäude sei ebenfalls im Kommen. Wer in Neubauprojekten später nicht überall teuer nachrüsten wolle, müsse das jetzt mit einplanen.
BWF identifiziert „Digitales Paradoxon“
Die Umfrage habe zwar ergeben, dass die Unternehmen das Thema Digitalisierung durchaus für wichtig halten, dennoch passiere zu wenig in diese Richtung. Der BFW nennt es das „Digitale Paradoxon“ der Branche. Die Gründe seien aber hausgmacht. Vor allem Unwissenheit oder der Bedenken, Technologien einzubauen, die in wenigen Jahren nicht mehr State-of-the-Art seien, seien dafür verantwortlich.
Lauf BFW fokussieren sich die Unternehmen in erster Linie auf interne Prozessdigitalisierung. Etwa das Dokumentenmanagement, Prozessautomatisierungen, neue Software, etc. Das sei zwar richtig und wichtig. Jetzt sei es aber an der Zeit, auch die Gebäude selbst nicht zu vergessen.
Digitalisierung in der Immobilienbranche: Zukunftssicher mit IP-Technologien
Gerade bei der Frage nach der richtigen Technologie liegt die Antwort eigentlich auf der Hand: Internet-basierte Technologien. Also Technologien basierend auf dem „Internet Protocol“ (IP). Spätestes seit dem Boom des Internet der Dinge (Internet of Things/IoT) verdrängen sie die in vielen Branchen vorherrschenden Insellösungen nach und nach. Das Internet ist seit Jahrzehnten erprobt, hat sich etabliert und wir daher auch in absehbarer Zukunft der Entwicklungstreiber sein. Die Telekommunikation hat den Wandel schon hinter sich. Klassische Festnetzanschlüsse gehören der Vergangenheit an. Die IP-Telefonie hat sich durchgesetzt.
IP Technologien finden sich aber auch in vielen anderen Branchen: In der Logistik, im Handel, der Industrie – überall setzen Unternehmen auf das Internet. Dadurch ergeben sich ganz neue Anknüpfungspunkte für Synergien oder neue Geschäftsmodelle – branchenübergreifend. Und genau hier wird auch die Immobilienbranche ansetzen müssen, wenn sie den Anschluss nicht verlieren will. Ein weiterer Vorteil: IP-Technologien sind erschwinglich. Was an Rechenleistung ausgelagert werden kann, wird künftig in Rechenzentren, der Cloud, erledigt. Das macht die vor Ort eingesetzte Hardware abermals günstiger. Installations-, Wartungs- und Engineeringkosten lassen sich senken, Aktualisierungen oder neue Features werden später per Update aus der Ferne eingepflegt. Was Tesla mit einem Auto kann, könnten Immobilienunternehmen auch mit ihren Gebäuden.
Zentrales Zähler- und Anlagenmanagement, Ambient Assisted Living, also die Unterstützung älterer oder körperlich eingschränkter Bewohner durch Sensorik und Meldeanlagen, die im Notfall schnell Hilfe holen. Personen- oder Sprachgesteuerte Haussteuerung für Licht, Türen oder Klima. Auch die schnelle und detaillierte Erfassung und Bereitstellung von Verbrauchsdaten wie Strom, Wasser, Wärme lässt viel Phantasie für neue Geschäftsmodelle.
Die Liste digitaler möglicher Funktionen in digitalen Gebäuden ist lang. Man muss es nur anpacken.