Die Deutschland Cloud
Alle Jahre wieder, wenn sich die Politprominenz zum Digital-Gipfel, früher „Nationaler IT-Gipfel“ trifft, hören wir die althergebrachten Floskeln. Von der Emanzipierung von amerikanischen Großkonzernen ist die Rede, von der „Deutschland Cloud“, dem notwendigen Breitbandausbau. Das ist auch alles richtig und wichtig. Aber sind wir ehrlich, mehr als Buzzword-Bingo und der Wunsch nach Profilierung Einzelner ist da meist nicht hinter. Die Realität tickt anders.
Also doch keine Deutschland Cloud? Warum so negativ? Ist es nicht wichtig, dass wir mehr für unseren Datenschutz tun? Das Bekanntwerden des NSA-Skandals, der groß angelegten Abhöraktion des amerikanischen Geheimdienstes bis hin zum Kanzlerin-Telefon ist nun schon sechs Jahre her. Höchste Zeit, sollte man meinen. Denn damals ging es nicht nur um politische Spionage, auch Wirtschaftsspionage war ein großes Ding. Und ist es immer noch. Der Aufschrei war groß, aber dann doch nur von kurzer Dauer. Also weiter mit Business-as-Usual? Nicht ganz.
Europäischer Datenschutz vs. Cloud Act
Die großen Cloudanbieter wurden in den darauffolgenden Jahren nicht müde zu betonen, dass sie auch Rechenzentren in Deutschland und Europa betreiben. Unternehmen konnten also bei einigen Anbietern festlegen, dass ihre Daten nicht irgendwo auf Rechnern „über dem großen Teich“ gespeichert wurden. Das ganze hat nur einen Haken: Amerikanische Unternehmen müssen, auch wenn sie Rechenzentren in Europa betreiben, auf Verlangen der US Regierung Daten herausrücken. Dazu trägt auch der 2018 vom US Kongress verabschiedete „Cloud Act“ (Clarifying Law-ful Overseas Use of Data Act) bei, der die europäischen DSGVO-Richtlinien aushebelt. Und Lösungen, die vor staatlichen Zugriffen schützen sollten, erwiesen sich in der Vergangenheit aufgrund ihrer Architektur als unpraktikabel.
Zum Digital-Gipfel in Dortmund stellte Bundeswirtschaftsminister Altmaier nun mit großem Presserummel die „Gaia X“ vor. Ein Konzept, das die dezentrale Speicherung von Unternehmensdaten innerhalb europäischer Grenzen vorsieht und von Großkonzernen wie Siemens, der Telekom aber auch Mittelständlern getragen werden soll. Medial als „Deutschland Cloud“ oder „Europa Cloud“ beklatscht.
Die staatlich verordnete Deutschland Cloud
Seriously? Die Antwort auf Microsoft Azure, Amazon AWS oder Google soll eine staatlich verordnete Deutschland Cloud sein, die ja auch erstmal aus dem Boden gestampft werden muss? Wie viele Jahre sollen da ins Land gehen, bis da ein konkurrenzfähiges Produkt auf dem Markt ist?
Man verzeihe mir wenn ich da nur wieder befürchte, dass sich ein paar Großunternehmen, die nicht gerade für ihre Agilität und Schnelligkeit bekannt sind, staatliche Fördertöpfe einverleiben. Sie werden ein paar Jahre an einer vermutlich viel zu sperrigen Cloud-Lösung herumfriemeln, die es am Ende dann doch nicht mit der Anwenderfreundlichkeit ihrer US-Konkurrenz aufnehmen können wird. Irgendwann ist das Geld dann alle und wir hören nichts mehr davon. Das Business muss ja auch mal weiter gehen und die Unternehmen landen dann doch wieder bei den internationalen Anbietern, die es einfach besser können.
Gute Produkte entstehen nicht durch Wunschdenken
Man verstehe mich nicht falsch: ich würde mir einen europäischen Cloud-Superstar wünschen. Nur lässt sich so ein Produkt von der Politik nicht per dictum aus dem Nichts erschaffen. Da hilft auch der in diesem Zusammenhang immer wieder zitierte Breitbandausbau nicht weiter. Der ist natürlich richtig und wichtig. Wird uns aber bei einer Deutschland Cloud nicht helfen. Die großen US Konzerne sind auch ohne hierzulande längst Marktführer. Das lag nicht am Breitbandausbau, sondern schlichtweg an guten Produkten, die zudem eng mit den Geräten unseres täglichen Gebrauchs wie Smartphones und PC verknüpft sind.
Wenn die Politik sicherstellen will, dass unsere Daten in Deutschland und Europa sicher sind oder junge, innovative Unternehmen eine Chance haben, dann muss dafür der entsprechende politische Rahmen geschaffen werden. Wir sind in Deutschland ja nicht gerade dafür bekannt, technologische Neuerungen mit offenen Armen zu begrüßen. Skepsis und (Über)regulierung haben schon so manches Projekt abgewürgt, noch bevor es überhaupt an den Start gehen konnte…