Unnötiger Elektroschrott: Wie man das Internet der Dinge zerstört

Smarte Lampen, Kameras, Lautsprecher, Luftfilter, Staubsauger: Das Internet der Dinge bringt eine Menge neuer cleverer Produkte hervor. Doch eine leichtsinnige Updatepolitik der Hersteller, die eigentlich einwandfreie Elektrogeräte schon nach wenigen Jahren unweigerlich zu Elektroschrott verwandeln, gefährdet die Akzeptanz des Internet of Things.
Vor einigen Wochen habe ich ein in die Jahre gekommenes Lautsprecherpaar repariert. Meine JBL Control One Boxen hatten ein kleines Problem: Die Schaumstoff-Sicken hatten sich nach rund 20 Jahren aufgelöst. Aber 15 Euro für Ersatzteile und zwei abendliche Bastelstunden später waren die Lautsprecher wieder wie neu.
20 Jahre Laufzeit. Bei smarten Produkten ist das offenbar undenkbar. Immer öfter kommen Geräte auf den Markt, die „standalone“, also ohne entsprechende App oder Cloud-Anbindung, nicht zu benutzen sind. Während die Hardware im Grunde lange haltbar ist, steht und fällt alles mit der Verfügbarkeit der zugehörigen Software oder Plattform für die Steuerung des Gerätes. Und die schalten Hersteller manchmal nach nur wenigen Jahren ab.
2011 stellte Logitech mit dem „Harmony Link“ erstmals eine universelle und in einer Box gebündelte Fernbedienung vor. Mit ihrer Hilfe konnten Anwender zahlreiche Geräte im Haushalt per Smartphone App steuern. Nur sieben Jahre später, im März 2018 stellte das Unternehmen den Betrieb der Plattform ein, mit deren Hilfe der Harmony Link gesteuert wurde. Das Gerät war fortan nutzlos. Kunden wurde als Wiedergutmachung ein Rabatt von 35 Prozent eingeräumt, wenn sie auf das neue Modell „Harmony Hub“, Kostenpunkt etwa 90 Euro, umstiegen. Die Nutzer waren erzürnt.
Besitzer der Wemo-Netcam des Herstellers Belkin schauen ab Ende Mai 2020 buchstäblich in die Röhre. Dann schaltet der Hersteller die Server für die Kameras ab. Die Überwachungskameras sind damit schlagartig unbrauchbar, da es keine Möglichkeit gibt, sie mit lokaler Software zu betreiben. Kunden, deren Kamera sich noch in der zweijährigen Garantiezeit befindet, bietet Belkin eine Rückerstattung des Kaufpreises an. Wer noch ein Jahresabo für die „iSecurity+“-Plattform hat, soll anteilig sein Geld zurück bekommen. Der Ärger ist dennoch verständlich.
Ich habe 3 dieser Kameras für teures Geld gekauft, Garantie abgelaufen, aber voll funktionstüchtig. Einfach zerstören zerstört das Vertrauensverhältnis! in die Produkte#wemo #belkin@wemo @belkin
Ich bezweifle, dass ich jemals wieder etwas kaufen werde. pic.twitter.com/PhlnGKVISp— Ralf Drischel-Kubasek (@rukmuc) May 14, 2020
Ähnlich fragwürdig, wenn auch nicht mit einer Zwangsdeaktivierung verbunden, war eine Recyclingaktion des Lautsprecherherstellers SONOS. Der hatte im Herbst letzten Jahres Kunden ausgewählter älterer Lautsprechermodelle 30 Prozent Rabatt beim Kauf eines neuen Produktes geboten, wenn diese ihre alten Geräte in den „Recyclingmodus“ versetzen würden. Konkret bedeutete dies: Die Lautsprecher wurden auf den Servern des Herstellers registriert, persönliche Daten wurden gelöscht und die Geräte fortan als „defekt“ markiert. Technisch waren die Lautsprecher völlig in Ordnung, aber ohne den Server nicht mehr zu nutzen. Der Hersteller verkaufte sein Konjunkturprogramm inklusive Verschrottungsprämie als umweltfreundlich, da die Besitzer ihre Altgeräte nun einfach selbst zum Recycling bringen könnten, statt sie an SONOS zurück zu senden. Früher hätte man alte aber funktionsfähige Lautsprecher einfach über eBay weiterverkauft. Heute werden sie vorsätzlich geschrottet. Auch hier waren viele Kunden „not amused“:
Sonos states on their website that "sustainability is non-negotiable," and that they design products to minimize impact, but I work at an e-waste recycler and have demonstrable proof this is false.
Sonos's "recycle mode" intentionally bricks good devices so they can't be reused. pic.twitter.com/VJDNhYOxRy
— ralph waldo cybersyn (@atomicthumbs) December 27, 2019
Nach rund sieben Jahren Benutzung kündigte Philips nun das Support-Ende der ersten Hue Bridge an. Künftig werde es keine weiteren Updates noch Online-Services für das Gerät geben. Zwar bleibt die Bridge funktionsfähig, lässt sich aber dann nur noch im lokalen WLAN über die Philips Hue Bridge v1 App steuern. Damit wurden nach nur wenigen Jahren wichtige Funktionen wie etwa die Steuerung der Lampen via Sprachsteuerung oder außerhalb der eigenen vier Wände einfach mal abgeschaltet.
After April 2020 no software updates will be made available for the Hue Bridge v1 and compatibility with our online services will be terminated at that time. The Hue Bridge v1 can still be controlled locally via the dedicated Philips Hue Bridge v1 app. >>
— Philips Hue (@tweethue) March 6, 2020
Ähnlich wird es Kunden des OSRAM Lightify Systems im August 2021 gehen. Dann dreht das Unternehmen den Servern für seine smarten Leuchten den Saft ab: Licht an wird dann nur noch vor Ort per Schalter funktionieren: Spracherkennung oder Remote-Steuerung entfallen. Ein kleiner Wehrmutstropfen: Nach einem Werksreset können die Lampen in ein kompatibles System, wie etwas das von Philips Hue, eingebunden werden. Aber natürlich nicht mehr mit der alten Hue Bridge, die ist dann ja ebenfalls längst Geschichte.
Plötzlich Elektroschrott: Halbwertszeit von smarten Produkten bedenklich
Die Kunden sind durch Smartphones längst auf kurze Lebenszeiten ihrer Geräte getrimmt. Durchschnittlich alle zwei Jahre kaufen sie sich ein neues Smartphone. Flaggschiffe kosten da schon mal 800 Euro und mehr. Diese verschwenderische Umgang mit teurer Elektronik scheint nun auch in alle anderen Lebensbereiche vorzudringen: Lampen, Lautsprecher, Kameras – nichts ist mehr auf Dauer angeschafft. Durch immer neue Updates und Funktionen wird die Unterstützung älterer Produkte und deren Server schon nach wenigen Jahren für die Hersteller zum kostenintensiven Ballast.
Doch diese Wegwerfmentalität schadet dem Internet der Dinge. Wenn sich die Fälle häufen und Kunden sich nicht mehr sicher sein können, ihre Produkte auch über einen längeren Zeitraum einwandfrei nutzen zu können, dann werden sie wieder klassische Produkte wählen. Wer will denn alle paar Jahre die gesamte Hausbeleuchtung, das Überwachungssystem oder seine Musikanlage erneuern?
Eine Lösung könnten offene Plattformen sein, die den Betrieb von Geräten im Internet der Dinge ermöglichten. Doch das scheuen die Hersteller auch aus ökonomischen Gründen. Mit Software lässt sich gutes Geld verdienen, vor allem im Abo-Modell. Auch die Preise für die Hardware können so noch einmal nach unten gedrückt werden. Der Kunde wird günstig angefixt und finanziert das Produkt dann ein paar Jahre lang über die Software. Bis dem Hersteller dann irgendwann etwas neues einfällt und der Support für das alte Produkt zur Last geworden ist. Dann heißt es „Dankeschön, auf Wiedersehen“.