KI in der Industrie 4.0: Predictive Maintenance der HS Pforzheim
Welche Konstellationen von Maschinendaten sind für Störungen und Ausfälle einer Anlage typisch? Und wie lassen sich mit diesem Wissen zukünftige Probleme vorhersagen? Fragen, mit denen sich normalerweise Big-Data- und KI Experten im Kontext der vorausschauenden Wartung („Predictive Maintenance“) beschäftigen.
Im Rahmen eines Praxisprojekts zur Industrie 4.0 am FutureLAB der Hochschule Pforzheim standen diese Überlegungen im vergangenen Sommersemester auch auf dem Stundenplan einiger Studenten des Bachelor-Studiengangs Wirtschaftsinformatik, Management und IT. In Zusammenarbeit mit dem ERP-Spezialisten Asseco Solutions untersuchten sie die Datensätze eines Asseco-Kunden aus der Aluminiumdruckguss-Branche und identifizierten typische Datenkonstellationen für Maschinenstörungen und Ausschuss. Die Ergebnisse des Data-Science-Projekts wurden Mitte Juli präsentiert und bilden nun die Basis für die Entwicklung eines KI basierten Systems zur präventiven Anomalieerkennung.
[Prädiktive Instandhaltung oder Predictive Maintenance lernt von historischen und gegebenenfalls in Echtzeit verfügbaren instandhaltungsrelevanten Daten. Durch dies und durch die Prognose von zukünftigen Ereignissen kann die Frage „Was wird wann passieren?“ beantwortet werden. Prädiktive Instandhaltungstechniken helfen somit bei der Bestimmung des Zustands von in Betrieb befindlichen Dingen. Sie helfen bei der Abschätzung, wann eine Wartung durchgeführt werden sollte. Dieser Ansatz verspricht Kosteneinsparungen gegenüber routinemäßigen oder zeitbasierten Vorbeugenden Instandhaltungsstrategien, da Aufgaben nur dann ausgeführt werden, wenn dies gerechtfertigt ist. Daher wird die genutzt um zustandsorientierte Instandhaltung durchzuführen, die gemäß Schätzungen des Verschlechterungszustands eines Gegenstands gemacht wird. – Quelle: Wikipedia]
600 Parameter bei einem Vorgang
Eine gute KI Analyse erfordert einen umfassenden Datenbestand. Dabei lässt sich jedoch selbst das größte Big-Data-Reservoir nicht unmittelbar nutzen, wenn seine Daten ohne Kontext erfasst wurden. Zu dieser Erkenntnis war auch der Aludruckguss-Spezialist gelangt, der seine Maschinendaten für das Hochschulprojekt zur Verfügung stellte. Schon heute werden dort für jeden einzelnen Aluminiumguss („Schuss“) bis zu 600 Parameter wie Temperatur, Formfüllzeit oder Dicke des Pressrests erfasst. Eine Zuordnung der Daten zu konkreten Störungen oder fehlerbehafteten Schüssen erfolgte jedoch bislang nicht. Entsprechend konnte der vorhandene Datenpool nicht unmittelbar zur Analyse oder Fehlervermeidung genutzt werden.
Studenten identifizieren fehlertypische Parameterkonstellationen
Im Zentrum des Data-Science-Projekts, das von Prof. Dr. Joachim Schuler sowie Prof. Dr. Thomas Schuster von der Hochschule Pforzheim initiiert worden war, stand das Ziel, den vorhandenen Datenbestand auszuwerten und so aufzubereiten, dass nutzbare Erkenntnisse daraus abgeleitet werden können. Dazu analysierte eine Gruppe von neun Studenten die Betriebsdaten zweier Aludruckgussmaschinen und entwickelte eine Methodik, dokumentierte Fehler wie Lufteinschlüsse, unvollständige Ausfüllung der Gussform oder ungenügendes Aushärten des Aluminiums mit den zugehörigen Schussparametern zu synchronisieren. Auf diese Weise konnten für die knapp 30 Fehlertypen charakteristische Parameterkonstellationen identifiziert und entsprechend zugeordnet werden.
Die Ergebnisse der Analyse wurden Mitte Juli im Rahmen der Abschlusspräsentation an der Hochschule vorgestellt. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse fließen unmittelbar in Praxisabläufe des Aludruckguss-Spezialisten zurück: So zeigte sich unter anderem, dass mehr als der Hälfte der Fehler lediglich eine falsche Konfiguration der Maschine zugrunde lag – eine Fehlerquelle, die sich mit verhältnismäßig geringem Aufwand reduzieren lässt.
Grundlage für KI Analyse
Gleichzeitig haben die Studenten mit ihrer Analyse die Grundlage für die Realisierung eines geplanten KI Systems zur Anomalieerkennung geschaffen. So nutzen die KI Experten der Asseco Solutions die identifizierten Parameterkonstellationen aktuell als Trainingsdaten für ein neuronales KI Netz, das in die Lage versetzt werden soll, analog zu den bekannten Mustern weitere, bislang unbekannte kritische Parameterkonstellationen zu entdecken. Indem künftig überwacht wird, ob sich Parameter ungewöhnlich entwickeln und einem kritischen Fehlermuster annähern, soll es möglich werden, sowohl Stillstände als auch Ausschussware vorherzusagen und deutlich zu reduzieren.
„Die Zahl der KI Projekte in der Industrie wird in den kommenden Jahren rapide ansteigen – und damit auch der Bedarf an qualifiziertem Fachpersonal„, so Steve Roth, Head of Operations bei der Asseco Solutions, und Leiter des Data-Science-Projekts. „Damit sich der bestehende Fachkräftemangel nicht noch weiter verschärft, ist eine frühzeitige Nachwuchsförderung unerlässlich. Durch das gemeinsame Projekt mit den Studenten der Hochschule Pforzheim wollten wir einen Beitrag dazu leisten. Für die meisten von ihnen war dies ihr erster Kontakt mit der freien Wirtschaft – und nichtsdestotrotz haben sie sich sehr professionell an die Aufgabenstellung angenähert. Sie etablierten innerhalb kürzester Zeit unterschiedlichste Spezialisierungen in ihrem Team: Ein Student koordinierte das Vorgehen wie ein Projektleiter, andere fokussierten sich auf die Auswertung oder darauf, die Daten mit den Fehlern in Beziehung zu setzen. Das hat uns im Rahmen der Zusammenarbeit sehr beeindruckt. Sobald die weiteren Schritte des Projekts abgeschlossen sind und die Anomalieerkennung tatsächlich produktiv im Unternehmen läuft, wollen wir die Studenten nochmals zu unserem Kunden einladen, um ihnen zu zeigen, wie die Ergebnisse ihrer Arbeit konkret in der Praxis genutzt werden.“
Bereits seit 2016 arbeiten das FutureLAB der Hochschule Pforzheim und die Asseco Solutions eng im Bereich der Lehre zusammen. So vermittelten die Asseco-Experten den Studierenden in den vergangenen Semestern im Rahmen mehrerer Vorlesungsreihen unter anderem die Grundlagen für die Einführung und Funktionsweise von ERP-Lösungen in der Praxis. Mit dem Data-Science-Projekt wurde die Zusammenarbeit nun auf die Praxis ausgeweitet. Durch das Projekt erhielten die Studenten die Möglichkeit, die Theorie konkret anzuwenden und zu Zukunftsthemen wie Industrie 4.0 und IoT erste praktische Erfahrungen zu sammeln.