eCall: Mit „Big Brother“ auf Achse?
Der 2015 vom EU-Parlament beschlossene „emergency call“ (eCall) ist ein neues, von der Europäischen Union erdachtes automatisches Notrufsystem für Kraftfahrzeuge, das Hersteller ab 31. März 2018 verbindlich in alle neuen Modelle ihrer Pkw und Nutzfahrzeuge zu verbauen haben.
Auf Basis statistischer Daten wird behauptet, durch den Einsatz des eCall Systems die Anzahl an Verkehrstoten innerhalb der EU erheblich senken zu können.
„Die Einführung eines EU-weiten Notrufsystems ist eine wichtige Verbesserung der Sicherheit für die Verkehrsteilnehmer in Europa. So können im Jahr ungefähr 2500 Leben gerettet und die Schwere von Verletzungen in zehntausenden Fällen erheblich verringert werden. Das eCall-System wird die Verbraucher nichts kosten und jedem Fahrer oder jeder Fahrerin unabhängig vom Fahrzeug zur Verfügung stehen.“ – Olga Sehnalova (EU-Abgeordnete, CZE)
Das im Fahrzeug montierte IoT Gerät, ausgestattet mit einer Vielzahl von Sensoren (von GPS/Galileo über GSM, hin zu Beschleunigungs- und Neigungssensoren) und verbunden mit der Bordinfrastruktur des Fahrzeuges soll einen Verkehrsunfall automatisch an die einheitliche europäische Notrufnummer 112 melden – und so Rettungsmaßnahmen schneller einleiten können. Dazu übermittelt das System dann Daten: Etwa die genaue Fahrzeug-Position, die Anzahl der Insassen, ausgelöste Airbags, Fahrzeuglage/Neigung… etc..
„Wir freuen uns auf die Einführung dieser technischen Entwicklung, da wir durch die Daten eine eindeutige Einsatzortidentifizierung bekommen werden. Inwieweit die Daten ausreichend für eine qualifizierte Disposition der notwendigen Rettungsmittel sein werden, bleibt abzuwarten.“ – Jan Ole Unger – Pressesprecher der Feuerwehr Hamburg.
Das obligatorische Überwachungsgerät wird dabei jedoch nicht über einen optionalen „Aus“-Schalter verfügen, wird also permanent Daten erfassen – und könnte diese auch zu jederzeit weiterleiten.
Die EU-Abgeordneten fügten ihrem Gesetzesentwurf zum eCall System zwar eine Datenschutzklausel hinzu, um damit zu gewährleisten, dass die Fahrzeuge aufgrund der eingesetzten Technologie nicht ständig verfolgbar sein sollen – minimale Standards zu Sicherung der Geräte oder gar verbindliche Regelungen über Möglichkeiten, in das Handeln des Gerätes einzugreifen, wurden aber nicht beschlossen.
„Das Problem bei eCall ist, dass eine Schnittstelle zwischen dem Auto und dem Internet hergestellt wird, und diese Schnittstelle dann auch für andere Zwecke, das ist sogar explizit so geplant, genutzt werden kann. […] Aber mit dieser Schnittstelle kann zum Beispiel auch das Auto täglich oder sekündlich verfolgt werden.“ – Thilo Weichert (Datenschützer, Jurist, ehemaliger Datenschutzbeauftragter Schleswig-Holsteins im Interview mit Deutschlandfunk Kultur)
Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis Meldungen über erste Hacks der Geräte die Runde machen; bis kleine, unabhängige Werkstätten die Deaktivierung der Geräte als Serviceleistung anbieten – und Firmenflotten möglicherweise ungewollt nach Cryptowährungen schürfen.
Kritik dazu kam u.a. auch vom ÖAMTC – dem österreichische Automobil-, Motorrad- und Touringclub. „Derzeit gäbe es keine klaren Regeln, wer die Daten zu welchem Zweck nutzen und weitergeben darf. Der Autofahrerclub fordert ein eigenes Datengesetz.“ – ORF